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An der Seite unserer Kolleginnen und Kollegen in Hongkong

04.06.20 Editorial
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Den von Festlandchina eingesetzten Machthabern in Hongkong ist es nicht gelungen, die Demokratiebewegung zu zerschlagen, daher hat die Regierung in Peking beschlossen, es selbst in die Hand zu nehmen. Nach der Abstimmung des willenlosen chinesischen Parlaments vom 28. Mai ist der Weg für Chinas Parteistaat frei, Hongkong ein drakonisches nationales Sicherheitsgesetz aufzuzwingen und es von den Sicherheitsorganen durchsetzen zu lassen.

Das Gesetz würde ‘Aufruhr’, ‘Subversion’, ‘Einmischung von Aussen’, ‘Separatismus’ und ‘Terrorismus’ kriminalisieren. Schon die Zugehörigkeit oder sogar Verbindungen zu einer internationalen Organisation könnten als ‘Einmischung’ eingestuft werden; Strassendemonstrationen könnten als ‘Terrorismus’ eingestuft werden. Die Forderung nach allgemeinen unmittelbaren Wahlen, für die die Bevölkerung Hongkongs gekämpft hat, könnte als ‘Aufruhr’ gelten. Und die unabhängigen Gewerkschaften, die im Gewerkschaftsbund von Hongkong (HKCTU) zusammengeschlossen sind, in dem die Demokratiebewegung verankert ist, könnten als erste wegen ‘Subversion’ angeklagt werden, nur weil sie unabhängige Arbeitnehmerorganisationen sind, die die Arbeitnehmerrechte verteidigen.

Die Rechtmässigkeit des Gesetzes ist nach dem Grundgesetz, das seit 1997 die Beziehungen Hongkongs mit der Volksrepublik regelt, zwar fragwürdig, Rechtmässigkeit spielt aber keine Rolle. Arbeiteraktivisten und Rechteverteidiger auf dem Festland werden wegen ‘Provozierung eines Streits’ routinemässig zu Gefängnisstrafen verurteilt, und Peking ist in Hongkong immer die letzte Entscheidungsinstanz.  

Der rechtliche Vorstoss sollte als ein Akt der politischen Aggression gegen die einzigen unabhängigen Gewerkschaften in China gewertet werden. Die Verhaftung und die laufende strafrechtliche Verfolgung von Lee Cheuk Yan (auf Englisch), dem Generalsekretär des Gewerkschaftsbunds von Hongkong, im Februar und erneut im April dieses Jahres, zusammen mit anderen bekannten Aktivisten der Demokratiebewegung, waren bereits ein Zeichen für die eskalierende Repression und die wachsende Ungeduld in Peking. Jetzt ist gegen das Prinzip ‘Ein Land, zwei Systeme’ offen verstossen worden.

Die Hongkonger Polizei hat das jährliche Gedenken an das Tiananmen-Massaker am 4. Juni verboten, eine öffentliche Gedenkfeier, die Hunderttausende anzieht und die die Erinnerung an Chinas Demokratiebewegung von 1989 und die autonomen Arbeitergewerkschaften, die die offiziellen Strukturen des Parteistaats anfochten, und die damit verbundenen Verheissungen wachhält.

Der 4. Juni ist auch unser Tag. Die internationale Arbeiterschaft sollte militante Solidarität bekunden und unseren Kolleginnen und Kollegen in Hongkong stolz zur Seite stehen. Und wir müssen daran erinnern (da viele es anscheinend vergessen haben), dass die Verteidigung der Demokratie und der Gewerkschaftsrechte in Hongkong mit dem Kampf für Rechte in ganz China untrennbar verbunden ist. Chinas Aussenminister hat erklärt, dass das neue Gesetz die Rechtsstaatlichkeit stärken und für “ein besseres wirtschaftliches Umfeld” sorgen wird. Das ausländische Kapital braucht aber keine Beruhigung; die Investoren haben von der Repression in China profitiert, insbesondere von der Verweigerung des Rechts der Arbeitnehmer, Gewerkschaften ihrer Wahl zu bilden und ihnen beizutreten. Es ist an uns, der internationalen Arbeiterbewegung, die Arbeitnehmerrechte zu verteidigen.

Hongkong, 4. Juni 2019