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Sind Nanomaterialien das neue Asbest?

03.06.14 Feature
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In einem unlängst im American Journal of Industrial Medicine erschienenen Artikel (nur auf Englisch) wird ausführlich über den ersten voll dokumentierten Fall einer auf den Umgang mit Nanomaterialien zurückzuführenden Berufskrankheit berichtet, derjenigen einer 26 Jahre alten Chemikerin, “die mit Nickel-Nanopartikelpulver arbeitete, das von ihr ohne Schutzmassnahmen auf einem Labortisch eingewogen und gehandhabt wurde”. Binnen einer Woche nach der Handhabung kleiner Mengen des Pulvers zeigte die Arbeitnehmerin Rachen- und Nasensymptome und Hautirritationen. Die Arbeit mit diesen winzigen Partikeln während dieser kurzen Zeit hatte dazu geführt, dass ihr Körper eine Sensibilisierung gegenüber Nickel entwickelte. Die Symptome blieben selbst nach der Einstellung des Umgangs mit dem Material und der Versetzung in ein anderes Stockwerk bestehen und besserten sich erst, nachdem sie das Gebäude ganz verlassen hatte.

“Sie kann nie wieder in diesem Gebäude arbeiten”, erklärte der Mitverfasser der Studie, der den Fall als “den ersten gut dokumentierten Fall eines Arbeitnehmers bezeichnete, der in einer US-Produktionsstätte Nanopartikel mit schwerwiegenden gesundheitlichen Auswirkungen handhabte”.

Nanomaterialien – das Ergebnis der Manipulation von natürlichen und synthetischen Materialien auf atomarer und molekularer Ebene – bergen ein erhöhtes toxisches Potenzial allein aufgrund ihrer Grösse, weil sie potenziell reaktiver sind als ihre grösseren Pendants. Partikel in Nanogrösse können vom Körper leichter absorbiert werden und können die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Bisher gibt es immer noch keine bekannte Methode zur Begrenzung, Bekämpfung oder auch nur Messung der menschlichen Exposition gegenüber Nanomaterialien und –prozessen am und ausserhalb des Arbeitsplatzes. Trotz dieser offensichtlichen Risiken werden Produkte, die Nanomaterialien enthalten, rasch eingeführt, und Tausende von Beschäftigten sind unregulierten und sogar unbekannten Gefahren ausgesetzt.

Das amerikanische Woodrow Wilson Center Project on Emerging Nanotechnologies (nur auf Englisch) schätzt, dass täglich 3-4 Nahrungsmittel auf den Markt kommen, die Nanomaterialien enthalten. Eine neue Studie von Friends of the Earth (Tiny Ingredients, Big Risks (nur auf Englisch)) enthält eine umfassende Liste von Nahrungsmitteln und Snacks grosser transnationaler Konzerne, die nicht gekennzeichnete Nanoinhaltsstoffe enthalten, darunter Coca-Cola, Danone, Hershey, Kellogg’s, Mondelez, Nestlé, PepsiCo und Unilever. Alle diese Erzeugnisse enthalten Nanotitandioxid, das nachweislich unter anderem die DNA schädigt, die Zellfunktion und das Immunsystem beeinträchtigt und karzinogen sein kann.

Ist die Nanotechnologie das neue Asbest? Wie bei Asbest zeigen sich die Schäden möglicherweise erst im Lauf der Zeit. Die potenziellen Risiken sind uns aber bereits bekannt. Es bedarf unverzüglich Massnahmen zum Schutz vor einer Exposition am Arbeitsplatz. Als erstes müssen die Nahrungsmittel-(und sonstigen) Hersteller gegenüber den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, den Verbrauchern und den Regulierungsbehörden die von ihnen derzeit verwendeten Nanomaterialien, ihre spezifischen Anwendungen, die Untersuchungen, die zur Feststellung ihrer Sicherheit am Arbeitsplatz und für die Umwelt durchgeführt worden sind, und die spezifischen Massnahmen, die zur Begrenzung der Exposition gegenüber diesem riesigen Spektrum von Gefahren eingeführt worden sind, offenlegen. Ein Moratorium für die Vermarktung von Nanoprodukten und -prozessen ist dringender notwendig als je zuvor.